Bodensee-Dreiländer-Querung

Bodensee-Dreiländer-Querung - Sabine Croci

Live life to the fullest - Mein Abenteuer durch den Bodensee
Dreiländer-Querung Lindau-Rorschach-Bregenz am 31.07.2014

Ich habe es getan, ich habe es geschafft! Immer noch unglaublich für mich selbst: ich bin von Deutschland in die Schweiz und weiter nach Österreich geschwommen. Fast 35 km die zum großen Teil von Schmerzen geprägt waren. Ich habe mit 12:48:26 h den neuen Rekord aufgestellt!  Aber der Reihe nach:

Mein Zeitfenster begann am 30.07. und wäre bis 02.08.14 offen gewesen. Für mich hatte sich der Donnerstag als Wunschtag schon länger im Kopf festgesetzt. Zum Einen wären an dem Tag meine Eltern planmäßig vor Ort, zum Anderen wären wir bereits einen Tag in Lindau und hätten in Ruhe die Vorbereitungen treffen können. So kam es dann auch, am Mittwoch war das Wetter schlecht, es regnete am Nachmittag in Strömen. Für Freitag sah es früh ganz gut aus, am Nachmittag hätten aber Gewitter durchziehen können. Der Donnerstag sollte ab ca 5 Uhr trocken sein, später wurde Sonne vorhergesagt.

Am Anreisetag, dem Dienstag gingen mein Mann Robby, meine Tochter Melissa und ich abends auf die Insel zum Essen. Auf dem Weg beschlossen wir ein Stück am Ufer entlang zu laufen und fanden zufällig mein Begleitboot samt Vermieter Daniel Sandau und Skipper Hubert Pröller, mit denen wir ein nettes Gespräch führten und uns für den nächsten Tag verabredeten. Ein kleiner Stein fiel von meinem Herzen, ich fühlte mich wohl bei der Truppe. Daniel Sandau, der Besitzer der Bootsvermietung Lindau, hatte eigens ein Gestänge mit einem Transparent an dem Boot angebracht "Achtung Schwimmer" Klasse!

Am Mittwoch trafen wir unsere Vorbereitungen, die letzten Gespräche mit dem Veranstalter Oliver Halder und mit Huber Pröller, meinem Skipper, wurden geführt, die Route abgesprochen ect. und das Boot beladen. Am Nachmittag fuhren wir mit meinen Eltern nach Rorschach und Bregenz um die Punkte festzulegen an denen ich möglichst an Land kommen sollte, ganz sicher festlegbar ist das leider nicht, da von Strömungen abhängig. Meine Eltern und unsere Tochter werden die "Bodencrew" bei meiner Querung sein. Ihre Aufgabe ist es die Anlandungspunkte für mich leichter erkennbar zu machen, durch Licht in der Früh in Lindau und durch einen Schirm in Rorschach und Bregenz, sowie mich beim Landgang in Rorschach nachzufetten und dann später in Bregenz in Empfang zu nehmen. Abends ging es früh zu Bett, ich habe wieder Erwarten doch ziemlich gut geschlafen bis am Do früh um 3.30 Uhr der Wecker klingelte.

Mein großer Tag war gekommen!

Es lief alles sehr ruhig an, Frühstück, diesmal ohne Kaffee, am Tag zuvor hatte ich Bauchweh vom Filterkaffee bekommen. Meine Eltern kamen, ein letzter Gang zur Toilette, umziehen, Sonnenschutz auftragen, um 4.35 gingen wir los zum Boot. Das Wetter war ok, kein Regen. Zum Glück lagen Quartier und Bootssteg nur knappe 10 Gehminuten auseinander. Hubert erwartete uns schon. Die letzten Sachen wurden verstaut, ich verabschiedete mich von meiner Tochter und meinen Eltern, die ich in ca ½ h am Pulverturm nochmal kurz treffen werde, dann tuckerten wir los. Der See war nicht so ruhig, wie es im Hafen schien, es schaukelte uns ganz ordentlich durch. Ich wurde immer wortkarger, nicht wirklich aufgeregt, wie z.B. vor dem Challenge-Start, aber fokussierter. Die Fahrt dauerte etwas länger, als erwartet, bis wir meine Eltern mit der Lampe am Pulverturm stehen sahen. Jetzt hieß es raus aus den Klamotten, Kappe, Brille, Knicklichtan, einfetten lassen von Robby der mich auf dem Boot begleitete und versorgte, verabschieden. Ganz ran konnte das Boot nicht, die letzten 100 m musste ich an Land schwimmen. Ich hab kurz überlegt, nen Köpper rein wollte ich nicht, bitte durch das Türchen am Heck und über die Leiter. Die endete über der Wasseroberfläche, ok, durchatmen und fallenlassen. Das Wasser war angenehm. Dank der Lampe konnte ich die Treppe, an der mein Start erfolgen sollte, gut erkennen und schwamm darauf zu. Hier raus bis ich trockenen Fußes an Land stand, noch kurz ein paar Worte gewechselt, dann kam die Sirene und mein Abenteuer Dreiländerquerung startete um 5.31 Uhr.

Ich schwamm zurück zum Boot, dachte mir die Hells Bells, die ich gern zum Start gehört hätte,sortierte mich daneben ein und los gings. Die Wellen waren teilweise ziemlich heftig, bauten sich wie Berge vor mir auf, nahmen mir die Sicht. Ich kam aber gut klar damit, konnte den bevorzugten Dreierzug schwimmen und kam flott voran. Der Kopf allerdings war noch etwas ungläubig ob der erwarteten Verweildauer im nassen Element. Da waren sie wieder die zwei Hälften, die eine zögernd, die andere sich bereits abfindend mir der Situation. Ok, das ist das worauf ich mich sooo lange vorbereitet haben. Hierfür bin ich Stunden im kalten, im rauhen Wasser geschwommen, habe mich gefreut und manchmal geflucht und genau darauf habe ich auch meinen Kopf vorbereitet, dass er jetzt sagt: "Ok, dann machen wir das einfach"

Um mich herum wurde es heller, bald ertönten die vereinbarten Pfiffe, die mir die bevorstehende Verpflegung anzeigten. Robby reichte mir die Flasche Maltomix im Kescher, ich trank die als notwendig berechnete Menge, gab die Flasche zurück. Das klappte schon mal. Dann bekam ich die verspiegelte Zoggs Ultimate Air-Brille gereicht, die ich ab jetzt tragen wollte. Die Predator flex mit den blauen Gläsern war gut für die Dunkelheit, wird aber über die Dauer unbequem. Alles fein, Knicklicht wieder ran gepfriemelt, dann konnte es weiter gehen. Eine Weile später wunderte ich mich über Steine die sich von links in mein Blickfeld schoben, auf meine Nachfrage bekam ich die Antwort, das sei die erste Landzunge "aaahaaa"??? Etwas früher als erwartet kam die zweite Verpflegung, Robby sagte es seinen einige Minuten früher, weil ich jetzt etwas Gas geben müsste wegen der Dünung. Das verstand ich jedenfalls, wunderte mich etwas, aber nicht allzu sehr, da es immer noch recht wellig war und das ja irgendwas mit Wellen zu tun hat. Mehr Leistung brachte mein Hirn in dem Moment nicht. Ich schwamm brav weiter.

Das Wasser veränderte sich, wurde kühler, bekam eine andere, hellere Farbe, die Treibholzwarnungen mehrten sich. Um mich herum begann das Wasser zu toben, das Adrenalin schoß hoch. Rechts ein großer Baum, vor mir ein Feld mit (hoffentlich nur) kleinerem Treibholz durch das ich im Zweierzug hechtete. Gefühlt hatte ich überall Holz und Pflanzen an mir hängen, vor mir türmten sich die Wellen. Als mein Boot knapp vor mir nach links zog, kam Panik in mir hoch. Lasst mich nicht alleine hier! Schlagzahl erhöhen, gucken dass ich mein Boot wieder erreiche. Kurz darauf wurde mir klar, warum sie hierher gefahren sind und mich so gelotst hatten. Das Wasser wurde ruhiger, die Farbe und Temperatur veränderten sich wieder. Ich sah unter Wasser noch Wolken des hellen, einströmenden Wassers. Ich war nur noch froh durch zu sein. Im Kopf nagten Zweifel, was das gewesen war. Wenn es nicht der Rhein war, was dann? Wie schlimm würde dann der Rhein sein? Zu fragen traute ich mich erst bei der übernächsten Verpflegung.

Zwischenzeitlich pflügte ich munter durchs Wasser, froh dass es gut lief. Ab und an zuppte die Wade, egal. Bis ich irgendwann einen kurzen Krampf hatte. Stopp, dehnen, Robby auf dem Boot in Alarmbereitschaft. Keine Bange, nur ein Krampf! Ich ließ mir eine Salztablette geben und beim nächsten Halt noch eine. Anhand der halbstündlichen Verpflegungsstopps konnte ich abschätzen, wie lange wir unterwegs waren. Endlich bekam ich dann auch bestätigt, dass ich vorhin durch den Rhein an seiner Mündung geschwommen war. So früh hatte ich nicht damit gerechnet, auch nicht damit, dass wir schon in der Früh direkt an der Einhausung vorbei schwimmen würden.

Die Strecke zog sich nun, anvisieren konnte ich eine Landzunge in der Ferne, die aber nur langsam näher kam. Ich dachte eine Menge in der Zeit, vieles was ich unbedingt schreiben wollte und nun doch vergessen habe. Allmählich machte sich mein linker Arm bemerkbar, es zwickte in der Schulter. Verdammt, wir haben keine 10 km, was ist denn da los? Ich versuchte locker zu schwimmen, das geht leider nur kurz, wenn ich alleine schwimme, dann hab ich meine "Reisegeschwindigkeit" wieder drauf. Variierte mir der Technik, minimale Außenrotation beim Eintauchen um den Druck in der Schulter zu mindern, breiter schwimmen, bewusst locker in der Überwasserphase. Es wurde besser, es wurde schlechter. Wir passierten den alten Rhein mit den Stehlen im Wasser an der Mündung. Lustig, das Wasser sah genau wie im neuen Rhein aus, war aber zahm und lange nicht so kalt. Nun war Rorschach in der Ferne erkennbar. Wir passierten ein Gebiet, das auf der Seekarte als Blumenwiese bezeichnet wurde. So sah es auch aus :-) Es war relativ flach mit vielen Wasserpflanzen und Muscheln. So sehr ich auch die Augen offen hielt, ich konnte keine Fische entdecken. Schade, aber das lenkte mich zumindest etwas ab.

Bei ca. km 11 gab ich die Info ans Boot weiter, dass ich Schmerzen habe. Verdammt, verdammt, verdammt! Aber es ließ sich nicht ändern. Woran es lag, kann ich nur spekulieren. Am WE zuvor hatte ich mir einen Zug geholt, war am Montag noch bei der Physio, da ich den Kopf nicht ausreichend nach links drehen konnte; die Wellen hatten sicher auch ihren Anteil ebenso wie das Tempo. Egal, woran es lag, ich konnte es nicht ändern, sondern nur aushalten.

Blumenwiese, Blumenwiese, über dich soll ich in ..., keine Ahnung wie vielen Stunden, später halt, nochmal schwimmen. Oh weh, ich muss wirklich die ganze Strecke wieder zurück!

Bei der nächsten Verpflegung ließ ich mir eine Godamed-Tbl geben, in der Hoffnung, es würde besser. Meine Stimmung sank. Der Himmel war grau, wolkenverhangen, die Schmerzen wurden nach einer kleinen Besserung bald wieder schlimmer. Ich haderte mit mir, ließ Gedanken wie: "reicht es nicht bis in die Schweiz geschwommen zu sein?", "geh einfach nicht mehr ins Wasser", "das hat doch keinen Sinn, mit den Schmerzen" usw. zu. Andererseits meldete sich die zweite Stimme mit: "was soll das denn? Du wirst doch nicht wegen so ein paar popeliger Schmerzen aufgeben! Was meinst du, wie du dich ärgern wirst! Du wirst dich immer fragen, ob es nicht doch weiter gegangen wäre. Denk an die vielen Leute, die mitfiebern. Willst du wirklich dastehen und sagen du hast es nicht geschafft? Nein, das willst du nicht!" "Guck mal, es wird rosa hinter den Bergen, überm See sind blaue Stellen zu erkennen. Du verpasst das Beste vom Tag, wenn du nicht weiter machst!"

So sehr ich auch suchte, ich konnte den Anlandungspunkt in Rorschach lange nicht entdecken, obwohl mein Vater uns schon seit einer Stunde durch das Fernglas sehen konnte, das glaubte er zumindest... Endlich, endlich endlich fand ich dann die Rutsche vom Strandbad Neuseeland. Uff, es ist absehbar, vielleicht bleib ich wirklich an Land... Die Begrenzungsbojen kamen in Sicht, ich bekam wieder was zum "Essen" und die Instruktion zwischen den Bojen hindurch zu meinen, mit einem Schirm winkenden Eltern zu schwimmen. Prima, endlich wusste ich wohin :-) Vorsicht am Geländer, der untere Teil liegt unter Wasser, dann zog ich mich über die Stufen auf der Treppe nach oben. Ich war deutlich erkennbar aus dem Wasser und durfte berührt werden. Meine Mutter sprang auf mich zu, wischte notdürftig das Wasser von mir, trug Sonnenschutz und danach dick Vaseline auf. "Wie geht's dir?" "nicht gut, ich habe Schmerzen" "du schaffst das schon!" Meine Tochter drückte mich und sagte "Mama, du schaffst es!!!" Papa: "es ist auch so schon eine Riesenleistung!" Bevor ich überhaupt über an Land bleiben nachdenken konnte, wurde ich wieder ins Wasser geschickt. Melissa rief mir noch einmal "du schaffst das!" zu, ich antwortete "wir sehen uns in Bregenz!" und schwamm zum Boot zurück.

Wir sortierten uns, ich bliebe weiterhin rechts vom Boot, hatte jetzt also auf beiden Seiten etwas zu sehen. Links das Boot, rechts das Ufer. Der kurze Aufenthalt an Land hatte mir gut getan, besonders der Glaube meiner Tochter, dass ich es schaffen würde. Einigermaßen beflügelt traten wir den Rückweg an. Die Schmerzen waren zwar da, aber ignorierbar, vorerst. Rorschach blieb hinter uns, wir bewegten uns auf den alten Rhein zu. Langsam aber sicher blinzelte die Sonne durch die Wolken. Alles nicht so schlimm! Nach meinem Gefühl, zog es sich nicht ganz so stark wie auf dem Hinweg. Leider drängten sich die Schmerzen unaufhörlich wieder in mein Bewusstsein. Ich heulte, schrie meine Wut ins Wasser. Zur nächsten Verpflegung verlangte eine Schmerztablette, diesmal aber bitte eine Ibu (Neuralgin). Robby fragte, ob ich das wirklich will. Ja, ohne geht es nicht mehr. Danach ließ sich der Schmerz wieder zurückdrängen. Anders kann ich es nicht sagen, er war da, nach wie vor, aber nicht so präsent in meinem Empfinden. Unter Wasser entdeckte ich die ersten Pflanzen, hurra das wird die Blumenwiese sein, oder doch nicht? Es waren deutlich weniger als vorhin. Ganz vielleicht befinden wir uns nicht so weit in der Bucht? Mit einem Mal wollte mein Boot die Seite wechseln, da registrierte ich erst, dass uns einige Schwäne interessant fanden. Um zu verhindern, dass sie mich angriffen, manövrierte Hubert das Boot möglichst zwischen uns. Bisher hatte ich noch nie Probleme mit Schwänen, sie gingen ihrer Wege, ich meiner. Hier jedoch, werden sie von vielen Booten aus gefüttert und kommen daher nahe an die Boote heran. Sie sahen friedlich aus, aber es wäre nicht ausgeschlossen gewesen, dass sie mich picken. Davon bekam ich wenig mit, ich sah mal hier einen Schwan, mal dort zwei, und in der Ferne einige mehr. Machte mir aber kaum Gedanken darum. Die gingen eher in die Richtung: An Land stellen sich die Leute auf der Blumenwiese ein weißes Pferd vor; ein Schwimmer im Bodensee bekommt auf der Blumenwiese weiße Schwäne. Ist doch schön :-) Die "Schwanproblematik" begleitete uns, meiner Erinnerung nach bis zum alten Rhein. Den nahm ich gar nicht richtig wahr, auf einmal waren wir bei den Stehlen und daran vorbei.

Innerlich hakte ich wieder eine Etappe ab, jetzt ging es zurück zum neuen Rhein. Die Frage, wie ich da ein zweites Mal durch kommen sollte beschäftigte mich seit Rorschach. Ich wollte einen genauen Plan, etwas wie "pass auf, wir fahren links von dir, wir passen auf dich auf, müssen aber sehen wo wir durch die Treibholzteppiche kommen. Danach werden wir nach rechts aus der Strömung heraus fahren". Das ist natürlich schwer vorherzusagen. Aber in mir wuchs die Angst vor unserer zweiten Begegnung kontinuierlich. Das Erlebnis vom Morgen lag mir schwer im Magen, Gleiches nochmal mit dem angeschossenen Arm bewältigen zu müssen, erschien mir unmöglich. Dazu erwartete ich angesichts meiner imaginären Karte im Kopf die Mündung viel früher. Ich schwamm ewig mit der Einhausung im Blick. Es stellte sich dann heraus, dass das was ich dafür hielt, das Rheineck sein musste. Das hatte ich vorübergehend vergessen, dass das ja auch noch dort ist. Bei diesen Gedanken wurden auch die Schmerzen schlimm und schlimmer. Ich wollte eine weitere Ibu. Robby gab mir keine, mit dem Hinweis es ist zu früh, er hätte mit meiner Mutter telefoniert. Ich monierte, dass ich ohne Tbl nicht durch den Rhein kommen würde. Er beruhigte (?) mich, dass es bis dahin noch 6 km seinen und ich kurz davor noch eine Tbl bekommen könnte. Er hielt mich hin, das registrierte ich, und es war ok so. Ich hatte ein Zwischenziel, bis zu dem ich es aushalten müsste. Nun war auch wirklich die Einhausung in Sicht. Ich hangelte mich von Verpflegung zu Verpflegung. Irgendwann war der Punkt erreicht, an dem ich die Schmerzen nicht mehr tolerieren wollte. Der Arm ließ sich nur mühsam zu seinem Dienst überreden, ich drohte mit Abbruch, sollte ich jetzt nicht die ersehnte Tablette bekommen. Er gab sie mir! Auch wenn der Effekt eher psychologisch war, es ging kurz danach besser und vor allem weiter.

Wir näherten uns meinem Angstgegner, dem Rhein. Kurz davor hielt ich nochmals an, fragte bange nach, ob die Crew auch wirklich auf mich aufpassen würde. Sie versuchten mich zu beruhigen, sagten mir, dass wir diesmal weiter außen herum fahren würden. Das sind zwar einige Meter mehr, aber das war mir in dem Moment egal. Für mich ging es darum da lebend durch zu kommen. Das hört sich jetzt furchtbar pathetisch an, in der Situation hatte ich wirklich Angst mein Leben in den nächsten Minuten zu beenden.

Ich kämpfte also, mehr mit mir selbst, als mit dem Element, und, oh Wunder, habe es überlebt. Allein die Welle des mir von Herzen gerutschten Steins sollte gereicht haben um mich bis nach Bregenz zu spülen!

Jetzt war es für meinen Kopf geschafft. Die paar Kilometer werde ich irgendwie schaffen. Über Kilometer hinweg dachte ich nur an meine Tochter, daran, dass ich sie bald wiedersehen werde und dass sie stolz sein würde.

Zweifel hatte ich an unserer Route, meiner Meinung nach müssten wir nach rechts, da auf der Seite das Naturschutzgebiet, Kloster Mehrerau und die beiden kleinen Häfen lagen mit meinem Zielpunkt. Dass die direkte Linie dorthin von der Einhausung aus mitten im See verläuft, konnte mein Hirn nicht begreifen. Ganz schlimm war es, als Carina wohlmeinend verkündete, wir wären bereits wieder bei Lindau, dort wo ich früh losgeschwommen sei. Ich nahm mittlerweile an, dass meine Crew mich nach Lochau lotsen wollte. X-mal beteuerten sie wir seien auf dem richtigen Weg, vor mir läge der Pfänder, rechts davon mein Anlandepunkt, ich wollte partou Richtung Hard schwimmen, wurde wieder motzig, da die Schmerzen ja nach wie vor da waren und wieder präsenter wurden. Bei einer Verpflegung bat ich Robby, die Flaschen nicht mehr ganz zu füllen, ich hatte Probleme sie zu heben. Dadurch kam ich in meiner eigenen Zeitberechnung ins Straucheln, ein wichtiger Anhaltspunkt für mich fiel weg. Auf dem See war jetzt viel los, viele Boote, einmal hielt ein kleiner Katamaran direkt auf mich zu, ich war mir sicher, er sieht mich nicht und versteckte mich hinterm Boot. Dort wurde ich aber sofort wieder verjagt, durch die Strömung bestand die Gefahr, dass ich zwischen mein Begleitboot und das im Schlepp mitgeführte, kleinere Boot gerate. Durch die Strömung wurde mein Begleitboot sowieso schon immer wieder in meine Richtung gedrückt, das kleine Boot natürlich auch. Das machte mir zusätzlich Stress, ebenso dass ich durch das Auskuppeln des Bootes immer wieder daran vorbei schwamm, das Boot den Kurs korrigierte und ich wieder nach links zum Boot schwimmen musste. Irgendwann weigerte ich mich am Boot vorbei zu schwimmen, auf Höhe des Bugs wurde ich langsamer, hielt notfalls an. Ich wollte keinen Meter zu viel machen. Auf dieser Strecke bekamen wir auch Besuch, Alex vom Bootsverleih kam vorbei, machte Bilder und feuerte uns an. Leider habe ich davon nicht allzu viel mitbekommen, ich war zu sehr mit mir beschäftigt. Wir befanden uns jetzt im Landeanflug, die letzten 1-2 km. Es ging an den Pfosten vorbei, an den ich mich im letzten Jahr beim Baden orientiert hatte. Der kleine Segelhafen kam in Sicht. Ich fluchte, warum kann ich nicht hier schon raus. Mein Arm versagte mir langsam den Dienst. Wo ist dieser verdammte, scheißdrecks Hafen? Ich wurde ungehalten, zornig, ich musste diese letzten Meter doch irgendwie schaffen! So kurz vor dem Ziel konnte, durfte nicht Schluss sein. An dem rot-weißen Turm sollte ich mich orientieren. Ok, ich war da, wo kann ich raus? Wie jetzt, noch ein paar Meter? Ich will nicht mehr, ich kann nicht mehr! Wieder Tränen. Schau nach vorn, hieß es, dort stehen dein Eltern und winken mit dem Schirm. Wo denn zum Teufel, ich seh nix! Keine Kontaktlinsen, die Brille verschmiert und Tränen in den Augen. Die Bootscrew peitschte mich weiter, der Arm ließ sich kaum noch über Wasser bewegen. Brustschwimmen ging nicht besser. Ich will jetzt wissen wie weit und wohin ich schwimmen muss! Da sind Bäume, rechts und links vor mir, zu welchen muss ich? Zu den Linken, den Näheren. Na, gut, ich versuchs. Endlich, endlich konnte ich den Schirm sehen, Menschen, das Geländer und die Treppe. Die letzten Meter musste ich alleine schwimmen. Ich erreichte das Geländer, wieder Vorsicht, das Ende liegt im Wasser. Den linken Arm schob ich auf dem Geländer vor mir her, mit dem rechten hielt ich mich und schleppte mich die Stufen hoch. Raus aus dem Wasser, die Sirene ertönte. Ich hatte es geschafft, trotz aller Schmerzen. Applaus der Badegäste, meine Mama nahm mich in den Arm, meine Tochter drückte mich. Papa hielt alles auf Fotos fest. Fremde Leute kamen und gratulierten mir. Ein großes Plakat hing am Ausstieg "Herzlichen Glückwunsch" und die Daten dessen was ich geschwommen war. Robby und meine Eltern hatten es unbemerkt anfertigen lassen. Danke, Danke, DANKE!!!!

Ich setzte mich auf die Steinbank, es war einfach unglaublich. Stolz mischte sich in meinen Gefühlscocktail.

Da ich keinen Zug mehr schwimmen konnte, sollten Lissi und ich von unserem kleinen Schleppboot geholt werden. Davor wollte ich mich umziehen und zur Toilette. Mutterns Hilfe war gefragt, ich fühlte mich nun doch etwas wackelig auf den Beinen, alleine umziehen war mit dem schmerzenden Arm undenkbar. Auf dem Weg kamen uns Mim und Axel entgegen. Sie beglückwünschten mich, wollten eigentlich da sein, wenn ich aus dem Wasser komme, standen aber im Stau. Ich brauchte einige Zeit bis ich in den trockenen Klamotten war, das nur unvollständig, ein T-shirt oder ähnliches konnte ich nicht anziehen, so blieb es beim Bikini-Oberteil.

Mein Keislauf macht nun doch etwas schlapp, so dass Robby mich nicht mehr mit aufs Boot nehmen wollte; zu Recht, ich wäre wohl kaum vom Kleinen auf das große Boot gekommen. So nahm ich den Landweg in Papas Auto. Die Nacht war wenig erfreulich von den Schmerzen her, ich konnte schlecht schlafen und stakste im Seemannsgang durch die Ferienwohnung. Mein Körper war noch zu sehr an das Geschaukel im Wasser gewöhnt.

Wir blieben noch einige Tage in Lindau. So richtig bewusst, dass ich die Dreiländer-Querung geschwommen war, wurde es mir dann am Samstag abend auf dem Uferfest in Langenargen. Da kamen dann noch einmal die Tränen, diesmal vor Freude, als wir kurz vorm Feuerwerk am Steg saßen, ich zu Lissi sagte: "Duuuhuu, ich bin da wirklich durchgeschwommen" und sie antwortete: "Jaaaa, ich weiß, ich war ja dabei!" :-) :-) :-)

Sabine Croci