Warum Eisschwimmen

Ich bekomme immer wieder Fragen wie: „warum tust du das? Warum schwimmst du bei Temperaturen, bei denen es den meisten Menschen unmöglich erscheint auch nur eine Zehe ins Wasser zu halten?“ gestellt.

Die Antwort lautet ganz kurz, knapp und einfach: Es macht Spaß!

 

Meist kommen ungläubige Blicke, „wie kann so etwas Spaß machen?“, „wo ist denn da der Spaß, wenn die Finger und Zehen steif sind, schmerzen? Wo, wenn man danach so zittert, dass man keine Tasse halten kann und sich kaum artikulieren kann?“

 

Nun ja, es ist der Kick, etwas zu tun, was nicht viele tun, es ist die Überwindung ins Wasser zu steigen, es ist aber auch die Schönheit des Wassers im Winter, das Erleben der Natur und das was es mit mir macht. Das Wasser verändert sich im Jahreslauf, im Winter ist es meist sehr klar, manchmal klirrt es, wenn Eis im oder auf dem Wasser ist. Die Landschaft sieht vom Wasser aus immer anders aus als vom Land und ich genieße es alle Facetten aus dieser Sicht zu erleben.

Das kalte Wasser lässt mir keine Wahl, als ganz bei mir zu sein. Eisschwimmen ist nicht nur ein körperliches Aushalten, es ist vielmehr das kopfgesteuerte Wollen. Spielt der Kopf nicht mit, komme ich nicht ins Wasser, auch wenn mein Körper es könnte. Ich muss mir jeder Faser bei mir sein, meine Atmung kontrollieren beim Reingehen, die Reaktionen meines Körpers wahrnehmen. Die ersten Meter sind die Schlimmsten, die Überwindung los zu schwimmen, die Zeit bis ich meinen Schwimmrhythmus gefunden habe, bis mein Körper sich angepasst hat. Dann wird es schön, ich kann in langen Zügen durchs Wasser gleiten. Irgendwann nimmt das Gefühl in Fingern und Zehen ab, die Hände werden zu Schaufeln, sind aber nicht komplett taub. Ich merke durchaus, wenn ich Wasserpflanzen berühre, bin dann aber schmerzempfindlicher als normalerweise. Je nachdem was ich mir vorgenommen habe, beginnt vielleicht der Kampf im Kopf. „Komm noch ein Strück“ gegen „ach, das genügt doch“. Meist setze ich mir ungefähr eine Zeit die ich schwimmen will, was auch davon abhängt ob ein Wettkampf ansteht oder nicht.

Irgendwann ist aber der Punkt gekommen, an dem ich aus dem Wasser muss. Das kann die vorgenommene Zeit sein, aber auch körperliche Veränderungen z.B. dass die gefühlsarmen Finger beginnen zu schmerzen oder das Gefühl, mein Körper hat einfach genug für diesmal. Es ist schwer zu beschreiben, es ist ein Teil tatsächliches Empfinden und ein Teil Vernunft, bezogen aus dem Hintergrundwissen was im Körper vor sich geht und wann ich an die Grenze komme mich in Gefahr zu begeben. Ich muss und werde im Training nicht bis zum Äußersten gehen. Mir und meinen Mitschwimmern oder Aufpassern zu Liebe, die eine kollabierte Bine dann ggf aus dem Wasser holen und versorgen müssten. Sich im Eiswasser in Richtung Grenze zu bringen, darf nur mit professioneller Absicherung geschehen und auch dann bleibt es gefährlich genug.

Mit dem Verlassen des Wassers beginnt der zweite Teil des Trainings, das Eisschwimmen endet hier noch lange nicht! Es gilt sich möglichst rasch aus dem Wind und in eine warme Umgebung zu bringen. Zum Umziehen bleiben mir für gewöhnlich etwa 6 min bevor das große Zitten beginnt. Hiermit wärmt sich der Körper wieder auf und man tut gut daran ihn dabei nicht zu stören, sondern seine Arbeit machen zu lassen. Entgegen der immer wieder verbreiteten Meinung, sind heiße Duschen so ziemlich das Dümmste was man nun machen könnte. Dadurch würden sich die beiden „Schalen“ die der Körper gebildet hat, eine innere, der Köperstamm mit den lebenswichtigen Organen, die warm gehalten wird und eine äußere, die Extremitäten, die stärker ausgekühlt sind, zu schnell wieder vermischen. Als Folge würde die Körperkerntemperatur im Nachhinein absinken, was im schlimmsten Fall tödlich enden kann. Also, raus aus dem Wind, umziehen, warm einpacken, möglichst in eine warme Umgebung gehen, gerne setzen, wenig bewegen und einfach mal zittern. Wenn ich wieder in der Lage bin meine Tasse zu halten, ohne alles zu verschütten, gibt es unterstützend warmen Tee. Ohne Schuss! Alkohol würde den o.g. Effekt begünstigen, da er die Gefäße weit stellt. Das grobe Zittern geht nach einer Weile, abhängig davon wie lange ich im Wasser war, in ein feineres Zittern über und verschwindet dann allmählich.

Spätestens jetzt kommt der größte Spaß. Ich fühle mich einfach nur glücklich und dankbar. Glücklich den Schweinehund einmal mehr besiegt zu haben, dankbar dafür, was mein Körper, was ich kann. Ich empfinde es als großes Geschenk, das erleben zu dürfen.

Vermutlich hängt dieses fette Grinsen danach auch mit den ausgeschütteten Endorphinen zusammen, die wiederum auch mit dem eingegangenen Risiko zusammenhängen dürften.

„Everything is sweetend by risk“ schrieb mir Nuala Moore als Widmung in Ihr Manual „An Insight Into The World Of Ice Swimming“ und so ist es wohl auch.

Man kann das Glück am Ende des Regenbogens suchen, ich halte es für wahrscheinlicher ein großes Stück davon außerhalb der Komfortzone zu finden. Zumindest funktioniert das bei mir :-)

 

Sabine Croci